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Sicherheit von i-Voting-Systemen: Chancen und Risiken von online Wahlen

Kilian Kunkel

Ein paar kaputte Tonkrüge mit eingeritzten Namen darauf – so begann die faszinierende Geschichte der Wahlen. Im antiken Griechenland fanden die allerersten Abstimmungen statt, bei denen die Bürger die Namen von unliebsamen Zeitgenossen auf Tonscherben kratzten. Diejenigen, die am häufigsten genannt wurden, mussten für zehn Jahre ins Exil gehen [1].

Von diesen bescheidenen Anfängen bis hin zu “allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen” [2] Wahl mit Stimmzetteln hat sich die Demokratie kontinuierlich weiterentwickelt. Doch heute, inmitten der Digitalisierung, stehen wir an einem entscheidenden und sicherheitskritischen Wendepunkt – den elektronischen Wahlen.

Neue Technologien versprechen eine Fülle von neuen Möglichkeiten, dennoch stellen E-Voting Systeme aber auch wichtige Fragen auf. Zunächst natürlich: Wie können sie die Teilnahme an Wahlen verbessern? Aber auch: Welche Risiken und Herausforderungen müssen berücksichtigt werden? Und: Wie kann sichergestellt werden, dass die Integrität und Sicherheit des Wahlprozesses gewahrt wird?

Doch was sind E-Voting-Systeme?

E-Voting-Systeme, auch als elektronische Wahl- oder Abstimmungssysteme bezeichnet, beschrieben die Durchführung von Wahlen oder Abstimmungen über elektronische Mittel. Im Kern geht es darum, moderne Kommunikationstechnologien zu nutzen, um den Wählern die Möglichkeit zu geben, ihre Stimmen bequem und effizient digital abzugeben, wobei man sich bei einer optimalen Umsetzung gleichzeitig eine erhöhte Genauigkeit, Sicherheit und Transparenz des Wahlprozesses erhofft.

Es gibt hierbei 2 verschiedene Arten von E-Voting-Systemen. Zum einen die internetbasierten Systeme (i-voting), bei denen die Wähler mit einem eigenen, internetfähigen Endgerät wählen können, und zum anderen die “hybrideren” kiosk-basierten Systeme, bei denen spezielle elektronische Terminals oder Wahlmaschinen verwendet werden (z.B. “Direct Recording Electronic (DRE) Systems” oder “Electronic Ballot Printers (EBPs)”) [3]. Im Zuge dieses Artikels fokussieren wir uns jedoch auf das “hardwareunabhängige” Internet-Voting. Dieser neue, innovative Ansatz zur Durchführung von Wahlen bringt einige Vorteile, jedoch auch eine Reihe von Herausforderungen mit sich, die in den folgenden Abschnitten diskutiert werden.

Chancen von i-Voting-Systemen

Die Nutzung von i-Voting-Systemen bietet zahlreiche Chancen und Potenziale zur Verbesserung demokratischer Prozesse: Durch eine einfachere Stimmabgabe und vor allem durch die Möglichkeit, online abzustimmen, können Menschen teilnehmen, die aufgrund von physischen Einschränkungen, geographischen Distanzen oder Zeitbeschränkungen möglicherweise nicht persönlich an den Wahlurnen erscheinen können. Auch die Problematiken der verpassten oder verspäteten Zustellung von Briefwahlunterlagen können durch den Einsatz eines i-Voting Systems unterbunden werden. Im Generellen wird davon ausgegangen, dass sich durch diesen Prozess die Wahlbeteiligung erhöht. Des Weiteren kann davon ausgegangen werden, dass der Einsatz von i-Voting Systemen zu einer Kostenersparnis und zu einer schnelleren und fehlerresistenteren Auszählung der Wahlergebnisse führen kann. [4]

Trotz dieser Chancen bergen i-Voting-Systeme jedoch auch Risiken und technische Herausforderungen, die im folgenden Abschnitt diskutiert werden.

Risiken von i-Voting-Systemen

Zunächst einmal bestehen zwei grundsätzliche politische Befürchtung von Kritikern der i-Voting Systeme: Zum einen gehen Sie davon aus, dass die Bequemlichkeit des “Wählen auf Knopfdrucks” zu einer “Entwertung des Wahlprozesses” führen könnte, da Stimmen verstärkt unreflektiert abgegeben werden könnten. Des Weiteren bürge i-Voting die potenzielle Gefahr, dass Menschen, die keinen Zugang zum Internet haben oder nicht über die erforderlichen Möglichkeiten oder Fertigkeiten zur Nutzung internetfähiger Geräte verfügen, benachteiligt werden könnten. [5] Diese beiden gesellschaftlich-soziologischen Aspekte werden kontrovers diskutiert und würden sich auch durch ein technisch optimal designtes Wahlsystem nicht direkt beeinflussen lassen. Daher wird sich im Folgenden mit “technischeren” Beschränkungen und Anforderungen des i-Votings beschäftigt.
Zunächst einmal muss das eingesetzte Protokoll die Anonymität der Wähler sicherstellen. Das Wahlgeheimnis erfordert, dass die Abstimmung anonym erfolgt und dass die Entscheidung des Wählers später nicht nachweisbar sein darf (Quittungsfreiheit). Dies gilt für alle Beteiligten, v.A. auch für Administratoren von zentralen Wahlservern oder Wahlbehörden. Des Weiteren muss die Korrektheit des Ergebnisses sichergestellt werden. Bei einer Online-Wahl müssen die Server, an welchen die Informationen gespeichert werden, als hochkritisch und schützenswert eingestuft werden und es muss auch hier sichergestellt werden, dass weder Wähler, Dritte noch Administratoren in der Lage sind, die Ermittlung des korrekten Wahlergebnisses zu verhindern. Außerdem sollte, um die universelle Verifizierbarkeit des Ergebnisses zu ermöglichen, jeder Wähler die Möglichkeit haben, die Korrektheit des Gesamtergebnisses zu überprüfen, um so Vertrauen und Akzeptanz in das System zu schaffen. Doch selbst wenn ein Protokoll all diese Anforderungen erfüllt, gibt es bei i-Voting Systemen ein weiteres Problem: Die Sicherheit der Endgeräte der Wähler*innen. Hierbei muss sichergestellt werden, dass das verwendete Gerät die Stimme des Wählers korrekt erfasst und übermittelt. Diese Inexistenz von Viren, Keyloggern oder anderer Spyware auf der Clientseite kann jedoch nicht zu 100% sichergestellt werden. Daher benötigt es hierfür eine weitere externe Überprüfung, sobald die Stimme an den “Urnen-Servern” registriert worden ist.

Und wie macht es Estland?

Estland, der europäische Vorreiter in der Digitalisierung, hat sich als Pionier in der Nutzung digitaler Dienstleistungen etabliert. Seit 2005 bietet das Land ein i-Voting-System, das es den etwa eine Million Wahlberechtigten ermöglicht, per Klick abzustimmen. Bemerkenswert: Über 28 Prozent der Wahlberechtigten nutzen diese Möglichkeit aktiv. [6]

Das Herzstück des Systems ist die nationale ID-Karte, mit der sich die Bürger gegenüber des Abstimmungsprogrammes authentifizieren. Nach dieser Authentifizierung wählen sie aus der Liste aus, bestätigen ihre Wahl noch einmal mit einer PIN-Nummer und senden diese dann an die elektronische Wahlurne. Die Verschlüsselung der Stimmen erfolgt dabei in zwei Schritten, um Sicherheit zu gewährleisten. Nachdem Sie Ihre Stimme abgegeben haben, bietet eine App durch das Scannen eines QR-Codes die Option zu überprüfen, ob Ihre Wahl korrekt im “Urnen-Server” registriert wurde. Weiterhin trägt die Offenheit und der Fakt, dass das System Open Source ist, dazu bei, dass das i-Voting in Estland so attraktiv geworden ist und einen hohen Akzeptanzgrad erreicht hat.

General Framework of Electronic Voting and Implementation in Estland [7]

“Das E-Voting-System ist sogar sicherer als die analoge Abstimmung. Denn wenn Sie in ein Wahlbüro gehen, fragen die Wahlhelfer dort nach Ihrem Ausweis und überprüfen anhanddessen Ihre Identität – obwohl sie nicht dafür ausgebildet sind, Dokumentfälschungen zu erkennen.” [8]

– Tõnu Tammer, Chef der Kriseneinsatzgruppe in Estlands staatlicher Behörde für Informationssysteme

Doch wieso nicht in Deutschland?

Während sich einige fragen, warum Deutschland immer noch an traditionellen Abstimmungsverfahren festhält, wenn i-Voting möglicherweise sogar sicherer ist, besteht das Kernproblem darin, dass die Voraussetzungen für die vollständige Umsetzung digitaler Wahlen noch nicht erfüllt sind. Betrachten wir den Kontext genauer:

In den letzten Jahren hat Deutschland mehr oder weniger ernsthafte Bemühungen unternommen, um die digitalen Angebote des Landes zu erweitern und den Weg für eine mögliche Implementierung von i-Voting zu ebnen. Ein Beispiel ist die Einführung des elektronischen Personalausweises im November 2010. Dies war ein bedeutender Schritt in Richtung einer digitalen Identifizierung und Signaturlösung, die für sichere und effiziente Online-Dienstleistungen, einschließlich digitaler Abstimmungssysteme, unerlässlich ist.

Trotz dieses Fortschritts hat es die breite Öffentlichkeit bisher weitgehend abgelehnt, diese Online-Funktionen zu nutzen [6]. Es scheint eine Form von Zurückhaltung zu geben, sich vollständig auf digitale Amtsdienste zu verlassen. 

So ist in Deutschland, einem der datenschutzbedachtesten Länder der Welt, das Vertrauen in digitale Dienste vor der Einführung eines digitalen Wahlsystems besonders wichtig. Solange dieses Vertrauen sich nicht durch andere Prozesse erhöht, wird ein i-Voting-System wahrscheinlich noch auf sich warten lassen. Der Fortschritt hängt hier also nicht nur von technischen Verbesserungen ab, sondern auch von einem kulturellen Wandel hin zu größerem Vertrauen in digitale Dienstleistungen.

So müssen wir uns momentan eben daran erfreuen, dass wir unsere Wahl wenigstens nicht mehr mit Hilfe von Tonscherben durchführen müssen und dem kulturellen Wandel etwas Zeit geben. Dann kommt die digitale Wahl auch bestimmt bald nach Deutschland. 

Quellen

[1] https://www.demokratiewebstatt.at/thema/thema-wahlen/die-geschichte-des-wahlrechts

[2] https://www.bundestag.de/parlament/bundestagswahl/wahlgrundsaetze-213172

[3] https://www.ndi.org/e-voting-guide/common-electronic-voting-and-counting-technologies

[4] https://www.polyas.com/election-glossary/ivoting

[5] https://politikberatung.or.at/fileadmin/studien/wahlen/E-Voting.pdf

[6] https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/255967/e-voting-in-estland-vorbild-fuer-deutschland/

[7] https://www.venice.coe.int/files/13EMB/13EMB_Priit_Vinkel.pdf

[8] https://www.tagesschau.de/ausland/estland-wahl-cyber-101.html


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