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Sicherheitssysteme in der Raumfahrt

Sven Kirsch

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Disclaimer

Die heutige Raumfahrt oder auch allgemein Raumfahrt ist ein sehr komplexes und vielschichtiges Thema. Nicht grundlos werden umgangssprachlich schwierige Themen als “Raketenwissenschaften” bezeichnet. Dieser Artikel möchte nicht die Raumfahrt in ihrer Gänze beschreiben sondern nur einen sehr kleinen Teil im Bereich der Sicherheit beleuchten. Hierfür wurden sich vor allem auf den Start einer Rakete und die Landung mit einer Raumkapsel konzentriert. Natürlich gibt es noch sehr viel mehr Sicherheitskonzepte in der Raumfahrt, als in diesem Artikel beschrieben werden. Zusätzlich werden nicht alle, sondern nur ein paar der Sicherheitssysteme angeschaut, da auch hier dauerhaft geforscht wird und was heute als Stand der Technik gilt morgen schon veraltet sein kann. Deshalb sind die hier beschriebenen Systeme auch keine puren Prototypen sondern eher etablierte Systeme, welche bereits seit Jahren im Einsatz sind, mit eventuellen Ausblicken auf zukünftige oder kürzlich neu erprobten Abwandlungen und Ideen.

Dieser Artikel ist außerdem nicht als Anleitung oder detailgetreue, vollständige Erklärung der hier beschriebenen Systeme aufzufassen, sondern soll lediglich einen Überblick über die Systeme schaffen und eventuell Lust machen sich mehr mit den Systemen und der Raumfahrt im allgemeinen zu beschäftigen.

Warum eigentlich Raketen?

Wenn man sich eine Weile mit der Raumfahrt beschäftigt stößt man schnell auf Ideen und Konzepte für verschiedene Systeme in den Weltraum, beziehungsweise in den Orbit zu gelangen. Hierbei finden sich immer wieder Ideen wie beispielsweise spaceelevator (spacelift), skyhooks oder space launch cannons. Viele dieser Systeme bieten eine auf Dauer kostengünstige alternative Fracht in den Orbit zu transportieren. Wir setzen immer noch global und fast ohne ausnahmen auf Raketen. Dabei haben Raketen eigentlich sehr viele Nachteile.

Offensichtlicher weise sind Raketen extrem Laut und der Treibstoff der beim Start verbrannt wird ist unter umständen sehr umweltschädlich. Raketen eignen sich dementsprechend nicht dafür mitten in der Stadt abgeschossen zu werden sondern es müssen extra riesen große Gebiete nur für die Starts freigeräumt werden. Außerdem sind Raketen sehr teuer. Geschätzte Preise für den Start einer Ariane 5 liegen bei 150-200 Millionen US-Dollar. Für die kleinere kommerzielle Falcon 9 immerhin noch bei etwa 62 Millionen US-Dollar. Dazu kommt noch, dass nur ein Bruchteil der Masse effektive Nutzlast ist. So wiegt eine Falcon 9 etwa 550 Tonnen. Aber nur etwa 22,8 Tonnen davon kommen am Ende im niedrigen Erdorbit (low earth orbit, kurz LEO) an. Das entspricht gerade einmal 4% der Gesamtmasse. Als vergleich ist das etwa, wie wenn man mit einem Großen LKW auf der Straße 100 kg Fracht transportieren würde. Und zur Fracht würden auch Fahrer und Kabine zählen. Ergänzend kommt noch dazu, dass wir den LKW nachdem wir am Ziel angekommen sind einfach wegschmeißen würden, da Raketen zumindest bisher nicht wieder verwendbar waren. Und selbst bei der Falcon 9 von SpaceX, welche zu teilen wieder verwendbar ist, wird immer noch ein relativ großer Teil weggeschmissen und die Einsparungen in den Kosten belaufen sich auch nur auf einen recht geringen Anteil. Als wäre das noch nicht genug ist ein Flug mit einer Rakete auch noch super gefährlich. Im Prinzip sitzt man auf einer fortlaufenden Explosion und hunderten Tonnen Sprengstoff. Wenn hierbei ein Fehler auftritt ist die Rakete meistens nicht mehr zu retten. Warum also nutzen wir immer noch Raketen?
Die Antworten hierauf sind tatsächlich relativ einfach. Zuerst einmal sind Raketen einfach super schnell. Es werden gerade einmal so etwa 10 Minuten benötigt um in den Weltraum zu gelangen. Spricht man vom Weltraum ist sofort noch der Vorteil vorhanden, dass Raketen auch im Vakuum funktionieren. Sie bringen alles mit was sie zur Fortbewegung benötigen, im Gegensatz zu einem Flugzeug. Außerdem haben wir heute einfach ein sehr großes Wissen über Raketen und wie wir sie effektiv nutzen können. Sprich sie sind technologisch sehr gut machbar. Diese technologische Grundlage haben wir vor allem dem zweiten Weltkrieg und dem kalten Krieg zu verdanken, denn hier wurde im Spacerace natürlich auf Raketen gesetzt, da diese auch wunderbar als Waffe oder Langstreckenträger für Atombomben eingesetzt werden können. Kurz gesagt, dass wir heute Raketen verwenden ist vor allem Historisch so gewachsen.

Wie funktionieren Raktenstarts?

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Der Start einer Rakete lässt sich grundlegend in mehrere Stufen unterteilen. Beim erreichen jeder dieser Stufen wird meist ein weiterer Teil des launchvehicles abgetrennt, sodass Die Rakete insgesamt an Gewicht verliert und leichter wird. Für was sollte man beispielsweise einen leeren Treibstofftank noch weiter mit sich herumschleppen, wenn dieser nicht mehr benötigt wird. Die obere Grafik zeigt einen normalen Ablauf beim Start einer Soyuz Rakete. Es wird aufgelistet, wann welcher Teil der Rakete abgetrennt wird und ungefähr die Zeit wann dies geschieht. Der Aufbau einer Soyuz Rakete mit den einzelnen Teilen, den sogenannten Stages, ist im unteren Bild zu sehen.

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Launch Escape System (LES)

Wie bereits bei den Nachteilen von Rakete erwähnt, sind Raketen meist nicht mehr zu retten, wenn beim Start irgendetwas schief gehen sollte. Und da dies meist in einer sehr großen Explosion endet bleibt von der Rakete auch von der Fracht nicht sehr viel übrig. Deshalb wird an der Rakete wenn man die Fracht sichern möchte meist ein sogenanntes launch escape system installiert. Dieses LES ist im Prinzip eine oder mehrere weitere kleine Raketen, welche die Fracht von der Trägerrakete entfernen und in Sicherheit bringen sollen. Hierfür wird die Kapsel oder Fracht von der Trägerrakete entkoppelt, wie es eigentlich erst im Orbit passieren sollte und die Raketen des LES gezündet. Sobald die Raketen des LES ausgebrannt sind wird es ebenfalls von der Kapsel abgetrennt und die Kapsel kann mithilfe der für die Landung vorgesehenen Fallschirme sanft zu Boden gleiten.

Bei der Umsetzung des LES wird inzwischen auf zwei verschiedene Methoden gesetzt. Zum einen die klassische Tower Methode, bei der oben auf der Kapsel ein Tower installiert wir der das LES und auch ein paar andere Systeme enthält. Zum anderen gibt es das inzwischen von ein paar Fahrzeugen eingesetzte Pusher System, bei dem das LES in die Kapsel integriert ist.

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Das klassische Tower-Konzept hat die Vorteile, dass es während des Fluges abgeworfen werden kann, sobald es nicht mehr gebraucht wird und somit die Last der Rakete verringert wird. Außerdem benötigt es keinen extra Platz in der Kapsel und kann theoretisch auf jede mögliche Frachtkapsel oben drauf gesetzt werden, solange die Adapter stimmen. Ein Großer Nachteil des Towers ist allerdings, dass wenn man ihn abstößt ist er unwiederbringlich weg.

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Der Vorteil des integrierten Pusher Systems, wenn man es nicht als LES verwendet ist, dass es auch als Bremsraketen bei der Landung oder als Steuerdüsen im Weltraum verwendet werden kann. Es bleibt außerdem den ganzen Flug über verfügbar, für den Fall dass doch irgendwann noch etwas schief geht.

Zusammenfassend kann man sagen, dass beide Systeme ihre Vor- und Nachteile haben. Was allerdings bei beiden System hinzu kommt, ist dass sie beide auf einer Technologie basieren, für welche sie selbst die Notlösung bei Fehlern bieten, nämlich den Raketen an sich. Ein LES basiert auf der Fortbewegung durch Rakete und hat ähnliche Anfälligkeiten und Nachteile. Tatsächlich gab es zum glück aber auch nur sehr wenige Fälle bei denen ein LES wirklich eingesetzt werden musste.

Atmospheric reentry

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Während man sich beim Flug in den Orbit vorwiegend darüber Gedanken machen muss, wie man die benötigte Geschwindigkeit aufbauen kann um in einem Stabilen Orbit zu bleiben, muss man sich bei der Landung darum kümmern genau diese Geschwindigkeit sicher wieder abzubauen. Neben der aktiven Möglichkeit Schub entgegengesetzt der aktuellen Flugbahn zugeben und somit die Geschwindigkeit zu verringern gibt es noch die passive Möglichkeit lediglich durch Reibung die Geschwindigkeit zu verringern. Dies hat den Vorteil, dass kein zusätzlicher Treibstoff mehr gebraucht wird, welcher in erster Linie auch mit in den Orbit gebracht werden müsste. Der offensichtliche Nachteil ist, dass extreme Geschwindigkeiten nur durch Luftreibung abgebaut werden und somit extreme Hitze entsteht. Auch wenn diese Hitze dafür sorgt, dass kleine Meteoriten in der Atmosphäre verglühen und somit keinen Schaden auf der Oberfläche anrichten können, soll eben dieses Verglühen bei den Raumkapseln welche aus dem Orbit zurückkehren verhindert werden.

Damit die Kapsel nun die extreme Hitze aushalten kann muss sie auf die eine oder andere Weise widerstandsfähig gemacht werden. Dies kann entweder durch aktives, passives oder sogenanntes ablatives cooling oder aber durch heat absorption geschehen.

Unter aktiver und passiver Kühlung sind relative klassische Kühlungssysteme. Dabei wird die Hitze, welche von der Struktur aufgenommen wird wieder nach und nach an die Umgebung abgegeben. Dies kann entweder passiv passieren, wenn der Wärmeaustausch einfach durch die Struktur selbst stattfindet und nicht weiter eingegriffen wird. Oder aktiv, wenn zum Beispiel Kühlflüssigkeit durch die Struktur gepumpt wird und somit die Wärme schneller abgeleitet werden kann, damit sie sich nicht an einem Punkt aufstaut und dort die Struktur eventuell beschädigt. Und obwohl diese Kühlungsverfahren so gut wie überall problemlos funktionieren, sind sie für die Raumfahrt und vor allem für den Wiedereintritt in die Atmosphäre nicht effektiv genug. Die Hitze vor der Kapsel staut entwickelt sich so schnell und wird so heiß (bis zu 2000°C), dass selbst stahl sofort zu schmelzen beginnt, noch ehe ein passives oder aktives Kühlungsverfahren richtig greifen kann.

Um dies zu umgehen gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten. Erstens die Nutzung eines sehr viel hitzebeständigeren Materials, das die Temperaturen aushalten kann. Und zweitens zu verhindern, dass die extremheiße Luft die Kapsel überhaupt berührt und somit seine Hitzeenergie gar nicht übertragen kann.

Für die erste Möglichkeit, der sogenannten heat absorbtion, wurden vor allem für das Amerikanische Space Shuttle Programm spezielle Materialien entwickelt. Sie nehmen die Hitze beständig immer und immer weiter auf und können viel mehr Hitze aushalten, als herkömmliche Materialien. Das Problem mit diesem Materialien ist allerdings, dass sie meistens strukturell nicht so stabil wie etwa Stahl sind. Bei den hohen Geschwindigkeiten, mit denen die Kapsel oder das Space Shuttle unterwegs ist, können bereits Regentropfen ausreichen um das Hitzeschild zu beschädigen und somit nutzlos zu machen. Denn es langt, wenn nur an einer einzigen kleinen Stelle die Hitze das Schild durchdringt um die dahinterliegende Struktur zu zerstören.

Bei der zweite Möglichkeit, dem sogenannte ablative cooling, wird im gegensatz zu den anderen Techniken darauf gesetzt, dass das Hitzeschild im verlaufe der Landung zerstört wird. Ziel dieses verfahrens ist es, die Luft die sich vor der Kapsel erhitzt von der eigentlichen Struktur fern zu halten. Hierfür wird das Material des ablativen Hitzeschildes kontrolliert abgebrannt um eine Gasschicht zwischen der Heißen Luft und der Kapsel zu bilden. Diese Gasschicht, welche sich aus den verbrennungsgasen der Hitzeschildes zusammensetzt ist zwar auch sehr heiß, allerdings nicht so extrem Heiß, wie die Luft, weshalb viel besser mit dieser Hitze umgegangen werden kann. Die große Herausforderung des ablativen Hitzeschildes ist es natürlich, überall gleichmäßig ein entsprechenden Gaspuffer aufzubauen, denn sonst wird es wieder nutzlos.

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Natürlich lassen sich alle oben genannten verfahren gemeinsam verwenden. Dies erhöht zwar die Sicherheit, weil mehrere Schichten die potentielle Hitze abfangen können, aber macht die Kapsel auch wieder schwerer, was mit deutlich höheren Kosten verbunden ist.

Kommt man am Ende heil durch die Atmosphäre, bleibt für das letzte Stückchen meist der altbewährte Fallschirm um sanft auf wieder auf der Erde anzukommen.

Quellen

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